Alles neu macht der Mai

Das Junge Staatstheater Parchim belebt nach zehn Jahren der Improvisation das neue Theater in der Kulturmühle Parchim

„Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns, vor uns liegen die Mühen der Ebene.“

 

Dieser Schluss des 1949 von Bertolt Brecht gedichteten Epigramms Wahrnehmung hing neben anderen Zitaten unterschiedlicher Dichter in dem Klassenzimmer der 5. Klasse meiner damaligen, im Brandenburgischen gelegenen Schule. Sicher wies ein derart platzierter Spruch zu dieser Zeit auf die anhaltend notwendigen Bemühungen für die Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft hin und sollte auch so verstanden werden. Als eine eindeutige Positionierung dieses Dichters zur guten Sache, deren Teil wir hätten werden sollen. Dennoch war ich schon damals von der systemunabhängigen, allgemeingültigen Interpretationsmöglichkeit dieser Lebensweisheit angetan. Insbesondere die Weiterführung des Gedankens fand und finde ich interessant, ja geradezu herausfordernd. Bedeuten diese Mühen der Ebene doch alles andere als das gerade Erreichte im tristen Alltagsleben fortan nur noch weiter zu verwalten. Vielmehr konnte man trotz vielfältiger Schwierigkeiten etwas Tolles erreicht, also das Gebirge erklommen haben, und gleichzeitig durch das Unterschätzen des Alltags und dessen Herausforderungen alles wieder bis zum Umsturz ins Wanken bringen und so verlieren. Allgemein spiegelt dieser Verlauf nicht nur das Schicksal so mancher Ehen wider, sondern immer, wenn wir die Aufmerksamkeit für das Besondere im täglichen Miteinander aus dem Blick verlieren und die Mühe darum einstellen, droht ein solches oder ähnliches Fiasko.

 

Mit dem Einzug in unser neues Theater in die Kulturmühle Parchim begeben wir uns genau in eine solche Situation. In den letzten Jahren ist es gelungen, trotz gravierender technischer und räumlicher Einschränkungen einen ambitionierten und vitalen Spielplan zu präsentieren. Den Blick immer auf den Geist der Zeit wie auch die Lebenswirklichkeit der Menschen gerichtet und das Herz patriotisch für die Region schlagend, fanden wir die richtigen Wege als Teil dieser Gesellschaft, kulturelle Erlebnisse zu schaffen, die für die Menschen von Relevanz waren und deshalb angenommen wurden. Und dieser Ansatz als Schlüssel für unsere Arbeit ist es, den wir als Allererstes auch weiterführen werden, jetzt wo die dringend notwendigen technischen und räumlichen Verbesserungen Wirklichkeit geworden sind, egal wie viel Mühe es auch bereiten wird.

 

Natürlich wissen wir, dass uns die besseren Bedingungen nicht zwangsläufig auch die Arbeit erleichtern werden. Da müssen vorher viele Fähigkeiten neu erworben, altes Denken über Bord geworfen und Vorurteile abgebaut werden. Die Schauspieler und Schauspielerinnen sehen im besseren Licht nicht zwangsläufig auch besser aus. Darauf ist kein Verlass, im Gegenteil. Die Gestaltung einer Rolle erfordert vielleicht ein noch höheres Maß an Präzision. Man sieht ja praktisch jede Kleinigkeit.

 

Eine bessere Tontechnik lässt die Musik auch nur besser klingen, wenn die Töne sauber getroffen sind. Technische Effekte können eine Inszenierung wunderbar bereichern, inflationär verwendet erzeugen sie das Gegenteil. Schon diese wenigen Beispiele lassen die vielseitigen Herausforderungen erahnen, die mit dem Neuanfang verbunden sind. Sicher können wir uns auf Erfahrungen stützen und werden das, was wir „die Seele des Theaters“ nennen, auch in das neue Haus einbringen.

 

Der Geist unserer Zeit und die uns umgebende Lebenswirklichkeit kennzeichnen auch weiterhin die Programmauswahl. Aber noch viel wichtiger wird es sein, die Kreativität und den Elan auf dieses neue Haus zu fokussieren, nicht nachzulassen im Überwinden von Unwägbarkeiten, die im gleichen Maße Teil der Ebene sein werden, wie sie auch Teil der Berge waren und, so wie immer, alles anders, also eben neu anzugehen, um weiter lebendiges, zeitgemäßes und zukunftsweisendes Theater für unser Publikum zu präsentieren.

 

Wir laden Sie herzlich ein dabei zu sein und unseren Neustart zu begleiten! Wir freuen uns darauf!

 

Thomas Ott-Albrecht
Intendant Junges Staatstheater Parchim

Premieren 2023/2024

Auf ein zweites Bier am Klavier
Schauspieler:innen singen ihre Lieblingslieder
Premiere 2. September 2023, Kulturmühle Parchim

 

Nicht von dieser Welt
Eine Stückentwicklung von David Stöhr und Ensemble
zum Thema „Psychische Erkrankungen in Familien“
ab 8 Jahren
Premiere 23. September 2023, Kulturmühle Parchim

 

Die Schneekönigin
von Jewgeni Schwarz nach Motiven des Märchens von Hans Christian Andersen
Deutsch von Gerda Zschiedrich
ab 6 Jahren
Premiere 5. November 2023, Kulturmühle Parchim

 

Adventsgeschichten 2023
Starry Starry Night
Premiere 2. Dezember 2023, Kulturmühle Parchim

 

Die überraschend seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe
von Sergej Gößner
ab 8 Jahren
Premiere 17. Februar 2024, Kulturmühle Parchim

 

Deutsche Erstaufführung
Ich bin Silas
von Julie Maj Jakobsen
aus dem Dänischen von Kerstin Kirpal
ab 14 Jahren
Premiere 13. April 2024, Kulturmühle Parchim

 

Ein neues Klassenzimmerstück
Das Heimatkleid
von Kirsten Fuchs
ab 12 Jahren
Premiere 25. Mai 2024, Kulturmühle Parchim

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