Premierengeflüster #12
Anna Myga Kasten, als Bühnenbildnerin, und Heike Engelbert, als Kostümbildnerin, sind gemeinsam für die neueste Produktion des Jungen Staatstheaters Parchim Lotta kann fast alles nach Lotta aus der Krachmacherstraße von Astrid Lindgren nach Parchim gekommen. Bald wird dieses große und bunte Bühnenbild auf der Bühne stehen, die Regie wird mit den Schauspielerinnen und Schauspielern die Umbauten üben und das Kinderstück für Menschen ab 4 Jahre fertig probieren. Fast das ganze Ensemble spielt mit. Das sind: Carlotta Aenne Bauer, Lena Blauth, Marlene Eiberger, Vincent Hoff, Bastian J. Simon und Annalisa Stephan. Keine leichte Aufgabe für Regisseur Thomas Ott-Albrecht das alles neben dem laufenden Theaterbetrieb zu inszenieren. Nach seinen erfolgreichen Kinderstücken wie z. B. Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt, Alfons Zitterbacke, Pippi Langstrumpf u.v.m. freuen wir uns sehr auf Lotta kann fast alles! Bislang lag meist die Ausstattung in einer Hand. Nun teilen sich Anna und Heike diese Aufgabe.
Anna, du bist zum ersten Mal bei uns als Bühnenbildnerin tätig. In der vergangenen Weihnachtssaison hast du am Sankt Pauli Theater in Hamburg das Bühnenbild für Peter Pan verantwortet. Du bist aber auch in der bildenden Kunst zu Hause. Hast bereits Ausstellungen mit verschiedensten Projekten und Materialien in Berlin, Hamburg, Stankt Petersburg – um nur einige zu nennen – bestritten. Für welche Form deiner Mission schlägt dein Herz höher?
Anna: Das ist nicht leicht zu beantworten. Ich habe ja freie Bildende Kunst studiert und das ist auch nach wie vor meine Heimat, in die ich nach zwei dicht hintereinander liegenden Theaterprojekten jetzt zurück kehren kann und mich sehr darauf freue, allein im Atelier an Ideen zu arbeiten, die weder Texte noch Spielvorgänge bedienen müssen. Als Kontrapunkt dazu schätze ich aber auch die Arbeit in Theaterprojekten, in denen viele, oft sehr unterschiedliche Menschen an einer gemeinsamen Sache arbeiten. Es gibt Bühnenbildentwürfe, die sehr nah an meiner freien künstlerischen Arbeit dran sind, und welche die es weniger sind, aber das ist für mich keine Bewertung, denn es sind immer Experimente und als solche für mich auf jeden Fall wertvoll.
Du wohnst in der Nähe von Parchim, sehr ländlich und grün. Bist du im Herzen eher ein Stadtmensch oder lebst du gern in Ruhe, ferner von Lärm und Stress?
Anna: Ich glaube das ist bei mir eine Frage des Lebensabschnitts. Mit Anfang zwanzig habe ich mich in der Stadt frei gefühlt und auf dem Land eingeengt – mittlerweile ist es eher umgekehrt. Zudem arbeite ich in der Regel in größeren Städten und bin daher für mehrere Monate im Jahr nicht an meinem Wohnort. Diese Produktion hier in Parchim ist die Erste, in der ich zuhause wohnen bleiben konnte, was mir sehr gefallen hat.
Lotta ist ein 4jähriges Mädchen aus Schweden, die energisch und dabei auch sehr selbstsicher und kess ist. Wie warst du in deiner Kindheit und wo bist du aufgewachsen? Siehst du dich in deinem entworfenen Bühnenbild?
Anna: Ich bin in Espelkamp aufgewachsen, einer Kleinstadt in Ost-Westfalen. Eine der schönsten Erinnerungen an meine Kindheit ist, dass ich mit einem Rucksack voller Bücher auf den großen Kirschbaum vor unserem Haus geklettert bin und dort große Teile des Tages verbracht habe. Erhöhte Rückzugsorte für meine Phantasiewelten mochte ich gerne. Auch habe ich in meiner Kindheit viele Urlaube in Schweden verbracht und habe daher eine emotional geprägte Verbindung zu dem Land.
Du bist gemeinsam mit Heike hier bei uns im Jungen Staatstheater tätig und ihr ergänzt euch ganz wunderbar. Heike übernimmt dabei das Kostümbild und man kann deutlich an euren Arbeiten sehen, dass ihr sehr gut miteinander harmoniert. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Heike? Habt ihr bereits gemeinsam gearbeitet?
Anna: Wir haben uns vor einigen Jahren bei den Kreuzgangspielen in Feuchtwangen kennen gelernt, wo wir in der gleichen Konstellation zusammen gearbeitet haben, damals ohne uns vorher zu kennen. Ich schätze Heike als Freundin und Kollegin sehr und freue mich immer, wenn sich die Möglichkeit bietet, mit ihr arbeiten zu können. So wie hier, wo ich das Kostümbild an sie abgeben konnte, um mich auf die Bühne zu konzentrieren.
Heike, du bist für die Kostüme verantwortlich. Wer ein solches berufliches Feld beackert, ist doch sicher ein mode-affiner Mensch. Wie ist dein beruflicher Werdegang?
Heike: Einen gewissen Hang zur Mode kann ich, glaube ich, nicht von mir weisen, obwohl ich privat meist schwarz trage. Ich habe Modenäherin gelernt und im Anschluss Bekleidungstechnik mit Schwerpunkt Produktentwicklung in Mönchengladbach studiert; und dabei meinen Fokus auf die Schnittentwicklung gelegt. Ehrlich gesagt, habe ich nur drei Monate als Bekleidungstechnikerin gearbeitet. Dann kam das Angebot in Münster am Wolfgang Borchert Theater die Schneiderei zu übernehmen und so bin ich ans Theater gegangen. Während der Zeit in Münster habe ich meine ersten Kostümbilder entworfen. Von dort ging es weiter nach Franken zu den Kreuzgangspielen, wo ich als Schneiderin angefangen habe, dann drei Spielzeiten die Leitung der Schneiderei übernommen und parallel dazu die Ausstattung der Kinder- und Jugendstücke. Seit 2014 arbeite ich freiberuflich für verschiedene Theater und Projekte sowie einer Tanzcompany aus Köln.
Dein Arbeits-Mittelpunkt liegt ja nun weit weg von Mecklenburg-Vorpommern in Franken. Wie gefällt es dir hier? Hast du einen Lieblingsplatz bzw. hast du schon mehr von unserem schönen Bundesland gesehen als Parchim mit der Kulturmühle?
Heike: Ja, irgendwie zieht es mich immer wieder nach Franken, obwohl ich aus dem Rheinland/Voreifel komme und mittlerweile seit zehn Jahren in Köln wohne. Ich mag den Kontrast: im Winter in der Stadt und im Sommer im ländlichen Franken zu sein und wenn ich das mit meinem Beruf verbinden kann, ist das noch besser. Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich viel rumkomme und kennen lernen darf und jetzt ist Parchim neu dazugekommen. Januar und Februar sind aber, glaube ich, nicht die Vorzeige-Monate für eine Stadt/Region, um sie kennen zu lernen. Es ist ein bisschen kalt und dunkel und vieles spielt sich drinnen ab. Aber ich war im letzten Sommer bei Anna zu Besuch und konnte Parchim und Umgebung im Sommer kennenlernen und fand es sehr schön. Überall die schönen Seen und Wälder. Jetzt habe ich auch die Zeit genutzt, um kleine Ausflüge zu unternehmen und war unteranderem natürlich in Schwerin, Warnemünde und Plau am See. Am Meer fühl ich mich immer wohl und von Parchim aus ist man so schnell am Meer, das ist schon Luxus.
Wo hast du deine Kindheit verbracht? Wie bist du aufgewachsen? Warst du auch so wie Lotta und hast dich zuversichtlich mit vollem Mut an neuen Dingen ausprobiert, oder warst du ganz anders?
Heike: Aufgewachsen bin in einem kleinen Vorort bei Düren, das liegt zwischen Aachen und Köln. Meine Kindheit habe ich als sehr frei empfunden. Ich bin die dritte von vier Geschwistern und da der Abstand zu meinem jüngeren Bruder etwas größer ist hatte ich lange die Lotta-Position und vielleicht gibt es (kleine) Parallelen. Es gab viel Platz und Raum sich auszuprobieren und selten ein „Nein, das kannst du nicht, das darfst du nicht“ oder ich habe es dezent überhört, wer weiß. Wir hatten einen großen Garten, in dem wir alles machen durften: Lagerfeuer, Buden bauen, Tunnel graben oder im Winter den Gartenweg zur Eisbahn umfunktionieren. Und da wir am Ortsausgang gewohnt haben, hat sich die Spielwiese noch auf die Felder und den nahliegenden Wald ausgeweitet. Schon eine kleine Bullerbü-Kindheit, die ich nicht missen möchte.
Also schon gewisse Parallelen zu Lottas Kindheit …
Heike: Ja, bei den Proben musste ich doch das ein oder andere Mal schmunzeln, da mir die ein oder andere Situation sehr bekannt vor kam und ich Lottas Sichtweise auf die Dinge sehr gut nachvollziehen kann. Als dritte lernt man schnell sich durchzusetzen und zu diskutieren, was mir bei der Durchsetzung der Notwendigkeit Klarinettenunterricht zu bekommen sehr zu Gute gekommen ist. Meine Mutter musste nach zwei Jahren Verhandlung aufgegeben und ich habe meine Klarinette bekommen.
Wir sind ja erst die zweite Spielzeit in der Kulturmühle und auch für uns ist vieles noch sehr neu. Wie beurteilst du die Bedingungen, die für eine Kostümbildnerin hier anzutreffen sind?
Heike: Alles da, was das Kostümherz begehrt. Angefangen bei einem großen aufgeräumten Fundus, auf den zurückgegriffen werden kann bis hin zu zwei wunderprächtigen Abteilungen, Schneiderei und Maske, mit tollen Menschen, die ganz viel möglich machen und mit ganz viel Herzblut für das Projekt sind. Das habe ich auch schon anders erlebt.
Mit der Premiere von Lotta kann fast alles ist eure Arbeit hier getan. Wie war die Arbeit am Jungen Staatstheater Parchim? Könntet ihr euch vorstellen wiederzukommen und wenn ja, was wäre euer Wunsch?
Anna: Ich habe die Arbeit hier als angenehm empfunden und mich sehr willkommen gefühlt. Natürlich läuft der Hase in jedem Haus ein bisschen anders und meistens braucht man eine Produktion bis man seine Wege kennt. In diesem Sinne könnte ich mir gut vorstellen hier wieder zu arbeiten. Meine Wünsche kann ich noch gar nicht so richtig formulieren, dafür stecke ich noch zu sehr im Prozess. Eine Produktion für junge Erwachsene, wo man es noch mal mit ganz anderen Themen und Fragen zu tun bekommt als bei Kinderstücken, würde mich sehr interessieren.
Heike: Da kann ich mich Anna nur anschließen. Ich habe mich sehr willkommen gefühlt und könnte mir vorstellen hier wieder etwas zu machen. Ich bin mit den Geschichten von Lindgren, Preußler und Michaele Ende groß geworden und habe sie geliebt. Momo wäre noch ein Stück das auf meiner Bucket List steht.
Was steht nun als Nächstes auf eurem kreativen Kalender?
Heike: Bei mir geht es nach einem kleinen Zwischenstopp zu Hause, direkt weiter nach Hamburg zu einem Projekt mit Schauspielschülern der freien Schauspielschule Hamburg, danach kommt noch ein Tanzgastspiel und ab Ende März bin ich wieder in Franken. Diesmal wieder für die Leitung der Schneiderei und das Abendstück Sherlock Holmes.
Anna: Wie schon erwähnt, habe ich jetzt erst mal das Glück in mein Atelier abtauchen zu können und mich dort mit meinen Objekten und Rauminstallationen zu beschäftigen und Ausstellungen vorzubereiten. Aktuell steht eine Solo Ausstellung im Künstlerhaus Frise in Hamburg an für 2025 sowie eine Teilnahme an der Nordart. Ebenso bin ich mit dem St. Pauli Theater Hamburg im Gespräch und im Sommer startet ein Projekt im Staatstheater Oldenburg. Unsere wilden Jahre von Charles Way, die Regie macht Julia Friede und nach der Premiere von Lotta werden wir uns zeitnah in Hamburg treffen um die ersten Konzeptentwürfe zu besprechen. Auf das Alles freue ich mich sehr!
Das Interview führten Antje Daate und Katja Mickan.
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