„Theater braucht Räume“
Nachdem die Räume des Jungen Staatstheaters Parchim in der Blutstraße jahrelang nur eingeschränkt nutzbar waren, ist es 2023 endlich so weit: das Ensemble bezieht seine neuen Räumlichkeiten in der Kulturmühle. Den Neubau betreut seit 2020 der studierte Architekt Benjamin Jagdmann als Baukoordinator und technischer Produktionsleiter. Über die Herausforderung beim „Bauen im Bestand plus Erweiterung“ sprach Katja Mickan, Leitende Dramaturgin des Jungen Staatstheaters Parchim, mit ihm.
Für einen Architekten ist ein Theaterneubau in einem Industriedenkmal sicher keine alltägliche Aufgabe…
Wir nennen das Bauen im Bestand plus Erweiterung. Aber ja, es ist spannend und alles andere als alltäglich. Theater braucht Räume. In Parchim sind die Liegenschaften ja noch verteilt. Das Haupthaus in der Blutstraße kann nicht alles fassen, was so ein Theater braucht. Da gibt es noch die Probebühne, den Requisitenfundus und den Kostümfundus, die am Wallhotel untergebracht sind. Der Fuhrpark befindet sich im Möderitzer Weg. Nun kommt alles unter ein Dach. Aber auch hier müssen die Wege zu bedenken sein, zum Beispiel macht es mehr als Sinn, wenn der Kostümfundus unmittelbaren Anschluss an die Schneiderei hat. Kostümbildner müssen nicht mehr durch die Stadt laufen und sich ihre Einzelteile zusammensuchen, um sie dann ins Theater zu bringen und ändern, neu nähen zu lassen oder ähnliches. Genauso ist es mit der Requisite. Der Requisiteur freut sich total, dass seine Werkstatt in nächster Nähe seine angesammelten Schätze beherbergt.
Was passiert mit der Technik? Wie ziehen Beleuchtungtraversen, Dekorationen, etc. in den neuen Bau ein?
Es ist wichtig, die Bühnentechnik ins Gebäude zu denken und planerisch zu integrieren. Die Transportwege sind vorab durchzuspielen, Maße zu berechnen für Wege über den Aufzug oder auf den Gängen. Die Traglast muss geprüft werden. Das neue Theater wird uns „schlüsselfertig“ übergeben, sodass wir sehr detailliert die gesamte Technik und Einrichtung planen. Wir bekommen eine ganz neue Ausstattung. Immerhin wollen wir aber auch für den großen Kronleuchter aus dem großen Saal in der Blutstraße einen neuen Platz in der Kulturmühle finden. Es kommt also auch manches Altes in das neue Haus.
Und wie sieht es für das Ensemble aus? Was erwartet die Schauspieler:innen in ihrem neuen Haus?
Ganz pragmatisch: warmes Wasser, Duschen, Garderoben mit viel Tageslicht, gute Probensituationen auf zwei Probebühnen, endlich wieder ein Raum zum Spielen vergleichbar mit dem großen Saal in der Blutstraße.
Die Kolleg:innen des Standortes Parchim gehen ja insgesamt sehr familiär miteinander um. Es ist also auch eine Herausforderung, diese familiäre Situation über sechs Etagen als Arbeitsort zu etablieren. Hier achten wir darauf, es ihnen zu ermöglichen, sich spielerisch zu verteilen und neu zu begegnen. Ein spannender Prozess also, die zusammengewachsene „Truppe“ aus der Blutstraße in den Fischerdamm zu begleiten.
Ein beliebter Ort für das Publikum war bisher auch die Theatergaststätte mit ihren intimen Inszenierungen, mit Musik oder auch als Treffpunkt vor und nach der Vorstellung. Wird es auch Theater in der neuen Theatergaststätte geben?
Selbstverständlich. Und man kann auch darüber nachdenken, die Außenterrasse am Wasser für Theaterabende im Freien zu nutzen. Das kann ganz romantisch werden…
Ich würde mich freuen, wenn die Menschen neugierig wären auf diesen neuen Kulturort in Parchim. Denn im Grunde genommen ist es ein 24/7-Ort im weitesten Sinn. Und so soll er auch genutzt werden.
Auf jeden Fall werde ich nach der Eröffnung der Mühle endlich eine Fahrradtour von Schwerin nach Parchim unternehmen. Ich stelle mir da einen Sonntag vor, an dem ich mit Freunden das Museum und das Theater besuchen will und den Tag auf der Außenterrrasse an der Elde ausklingen lasse.
Veröffentlicht im März 2022
Am 27.03. beschäftigt sich die Veranstaltung Reden Hilft! - Parchim baut Zukunft mit den Wünschen und Visionen von Theaterschaffenden und Publikum für das Theater in Parchim.