Weiter geht's mit Hedwig - oder: Ein paar Fragen an Kim Höft

Im Mai ging es im E-Werk wieder los mit unserem queeren Musical Hedwig and the Angry Inch. Zwei Spieltermine – am 19. und 25.05. – gibt es noch in dieser Spielzeit, endlich mit voller Platzkapazität. Am ersten Mai treffe ich Kim Höft, die Prozessbegleitung für das Stück, um ein paar Runden um den Pfaffenteich zu drehen.

Kim Höft vom Verein TIM hat den Probenprozess von "Hedwig and the Angry Inch" begleitet.
Kim Höft ist trans* non-binär und engagiert sich ehrenamtlich für die queere Community. In diesem Rahmen begleitete Kim den Probenprozess des Musicals „Hedwig and the Angry Inch“. © Linus Lutz

Linus Lutz Wer bist du?

Kim Höft Ich bin Kim, 37 Jahre alt, trans* non-binär, ich verwende keine Pronomen, arbeite als Heilerziehungspfleger*in in einem Hort und bin ehrenamtlich in der queeren Community unterwegs: Beim CSD-Verein in Schwerin, aber auch in den trans* Selbsthilfegruppen in Schwerin und Wismar. Und seit einem Jahr bin ich mit dabei, den Verein TIM* (trans* und inter* Menschen in Mecklenburg) zu gründen.

 

LL Du bist als Prozessbegleitung mit ins Musical-Team gekommen. Wir wollten die Hauptrolle aufgrund der im Stück angelegten Thematik mit einer trans* Person besetzen. Und spätestens beim Casting wurde aufgrund der Rückmeldung verschiedener Bewerber:innen klar, dass im Team eine weitere trans* Person mit dabei sein sollte…

KH …als eine Person, die für unsere trans* non-binäre Hauptbesetzung Lili Alexander Ansprechperson ist, die für das Team für Fragen zum Thema Transidentität und Nonbinarität da ist, die den Arbeitsprozess kritisch mitbeobachtet und -reflektiert usw.

 

LL Du hast den Job gleich zugesagt?

KH Das Projekt klang gleich mega spannend. Gleichzeitig war ich nervös, denn ich hatte sowas noch nie gemacht. Und mir war klar, dass diese Position im Team sehr wichtig ist. Ich kenne das ja selbst, dass ich irgendwo hingehe, wo ich die einzige trans* Person bin. Oft stresst mich das dann, weil ich den Leuten wieder viele Sachen erklären muss, von Pronomen bis hin zu Anreden. Für mich ist es z. B. wichtig, dass Personen keine Pronomen, insbesondere keine weiblichen oder männlichen verwenden, wenn über mich gesprochen wird, sondern, dass sie einfach „Kim“ sagen. Aber so etwas ständig selbst einzufordern, ist sehr belastend. Gerade wenn du im Zentrum eines Theaterstücks stehst, ist deshalb eine Unterstützung, ein Ally wichtig, der dir Rückendeckung gibt. Denn du willst dich ja auf deine Probenarbeit konzentrieren und nicht ständig interne Bildungsarbeit zum Thema Transidentität leisten.

LL …und das gilt natürlich auch dann, wenn das Stück, wie in unserem Fall, dieses Thema selbst behandelt. Wie hast du denn den Arbeitsprozess erlebt?

KH Ich dachte etwas naiv, da gibt es dieses Stück, alle lernen ihre Texte und dann wird das geprobt. Mir war gar nicht so bewusst, wie vielfältig auf den Proben noch gearbeitet wird – auch kritisch, und dass auch ich gefragt war, aus meiner Perspektive etwas beizutragen. Überraschend war auch, dass alle recht wild durcheinander arbeiten und am Ende doch alles zusammenkommt. In unserem Fall ist das Ergebnis ein emotionaler Abend mit cooler Musik, der ganz viel positive Repräsentation von trans* Menschen bietet. Und das kommt auch beim Publikum total an, das merkt man immer bei den Nachgesprächen, wenn Leute sagen, dass die Produktion unbedingt auf Tour gehen müsse. Das tut auch mir persönlich gut, zu merken, dass dem Publikum das Thema durch das Stück nähergebracht wird und die Leute sagen: Wir wollen mehr erfahren. Insofern ist die Inszenierung in Schwerin auch aus einer trans* aktivistischen Perspektive echt relevant.

 

LL Du bist bei den kommenden Nachgesprächen auch wieder mit dabei. Was steht in Zusammenhang mit deiner aktivistischen Arbeit noch Wichtiges an?

KH Von bundesweiter Bedeutung ist natürlich, dass das TSG, das sogenannte Transsexuellengesetz, abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt wird, wobei laut Regierung die Eckpunkte dafür vor der parlamentarischen Sommerpause stehen sollen. Wir sind gespannt... Das Gesetz soll es ermöglichen, über den Amtsweg seinen Geschlechtseintrag und seinen Vornamen zu ändern ohne die bisher nötigen Gutachten und Gerichtsverfahren, die mit immensen Kosten verbunden und emotional sehr anstrengend sind. Für uns als Verein TIM* ist die kommende CSD-Kulturwoche sehr interessant, u. a. organisieren wir eine Lesung mit Felicia Ewert sowie eine Gesprächsrunde mit Tessa Ganserer MdB. Das Staatstheater ist am 14.06. ja auch mit einer Veranstaltung zum CSD mit dabei, habe ich gesehen. Ganz neu dazugekommen ist jetzt auch noch eine Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Wismar, wo wir auch mehrere Veranstaltungen planen. Erwähnenswert ist auch, dass wir als Verein nach einigen administrativen Hürden Anfang Mai endlich unser „e. V.“ bekommen haben. Mit der offiziellen Eintragung sind wir jetzt voll handlungsfähig.

 

Linus Lutz

 

Veröffentlicht im Mai 2022
Die trans* non-binäre Schauspielerin Lilli Alexander als Titelfigur in "Hedwig and the Angry Inch"
Die trans* non-binäre Schauspielerin Lilli Alexander als Titelfigur in „Hedwig and the Angry Inch“ © Silke Winkler

Das Rockmusical Hedwig and the Angry Inch beschreibt die Reise der trans* Rocksängerin Hedwig durch die USA. Als Hauptdarstellerin steht die trans* nonbinäre Performancekünstlerin Lili Alexander im Mittelpunkt der Inszenierung von Thomas Helmut Heep, die am 13. März 2022 in Schwerin Premiere feierte.

 

Die Inszenierung ist am 19. und 25. Mai noch einmal im E-Werk zu sehen. Alle Informationen und Tickets finden Sie hier.

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